Um die Beziehung
erhöhten Milchkonsums bei Arthrose zu beleuchten, stellte
Prof. Dr. med. Bodo Melnik vom Fachbereich Humanwissenschaften
beim 6. Osnabrücker Wissensforum den neusten Erkenntnisstand
seiner Arbeitsgruppe zur biologischen Funktion der Milch dar.
Milchkonsum verschlechtere nicht nur die häufigste entzündliche
Hautkrankheit Akne, sondern habe auf alle Zivilisationskrankheiten
einschließlich der Volkskrankheit Arthrose negative
Auswirkungen.
Nach Ansicht von Melnik stelle Milch kein herkömmliches
Nahrungsmittel dar, sondern ein bisher nur unzureichend erforschtes
endokrines Signalsystem der Säugetierevolution zur Wachstumsförderung
während der Stillzeit. Hierzu aktiviere Milch auf Zellebene
den Zentralschalter des Wachstums, das Enzym mTORC1. Da das
Kalb sein Geburtsgewicht viermal schneller verdopple als der
Säugling, sei davon auszugehen, dass Kuhmilch eine viel
stärkere mTORC1-Aktivierung hervorrufe als Muttermilch.
Evolutionsbiologisch stelle der permanente Konsum von Milch
eine jüngste Verhaltensänderung des Menschen dar,
die durch die „Weiße Revolution“ vor ca.
8000 Jahren eingeführt und Anfang der 1950iger Jahre
durch flächendeckende Kühltechnologie maximiert
worden sei. Die Dauerverfügbarkeit von Milch führe
zu einer permanenten Überstimulierung des mTORC1-Signalsystems.
Die Milch sei jedoch nur als zeitlich begrenztes mütterliches
Botensystem zum Neugeborenen zu verstehen und aktiviere im
Wesentlichen zwei Signalwege. Einerseits erhöhten die
in den Milcheiweißen enthaltenen essentiellen Aminosäuren
beim Milchempfänger die Hormonspiegel von Insulin und
Insulin-artigem Wachstumshormon (IGF-1). Beide Wachstumshormone
aktivierten dann zusammen mit den essentiellen Aminosäuren
der Milch das Enzym mTORC1 zur Steigerung von Wachstum und
Zellteilung (s. Abbildung).
Darüber hinaus verfüge frische Milch über eine
zweite, höchst faszinierende Signalebene, an der Gen-regulatorisch
aktive Mikrovesikel von Virusgröße (40-90 nm) beteiligt
seien. Bemerkenswert sei in diesem Zusammenhang, dass der
diesjährige Nobelpreis für Medizin zur Charakterisierung
des Vesikeltransports in der Zelle an die Biochemiker Randy
Schekman, James Rothman und den Deutschen Thomas Südhof
verliehen wurde. Melnik und Mitarbeiter sind der Überzeugung,
dass auch die Milch ein archaisches System des vesikulären
Transports zur Wachstumsbeschleunigung darstellt. Die virusartigen
Vesikel der Kuhmilch transportierten Gen-regulatorisch wirksame
Erbsubstanz des Rindes in Form kleinster Bausteine von Ribonukleinsäuren,
sog. Mikro-RNS. Mikro-RNS sei in der Lage, Bremsen des Zellzyklus
abzuschalten und damit gewünschtes Wachstum nach der
Geburt zu beschleunigen. Dieses Konzept publizierte die Osnabrücker
Arbeitsgruppe kürzlich im renommierten Nutrition Journal
(www.nutritionj.com/content/12/1/103).
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Ständige Wachstumsbeschleunigung sei aber nach Abschluss
der natürlichen Wachstumsphasen eine höchst bedenkliche
Konstellation, da ständige Wachstumsstimulierung zur Krebsentstehung
beitrage. So würde die in der Milch enthaltene onkogene
MikroRNS-21 auch von Krebszellen produziert, die hierdurch ihr
Wachstum förderten. Melnik und Mitarbeiter betrachten Milch
wie ein virusartiges Infektionssystem zur Übertragung Gen-regulatorisch
wirksamer MikroRNS zur Wachstumsbeschleunigung und Ausreifung
des Immunsystems des Neugeborenen. Dies seien gewünschte
biologische Funktionen der Milch während der Stillphase
eines Säuglings. Die durch Milchkonsum geförderte
Akne stelle dagegen eine sichtbare Modellerkrankung der unerwünschten
Wirkungen des Systems Milch dar und verdeutliche die negativen
Auswirkungen überstimulierter Talgdrüsen infolge überlagerten
pubertären Wachstums mit Milch-induziertem Wachstum.
Da auch die Immunzellen als höchst stoffwechselaktive und
teilungsbereite Zellen einer ausgeprägten mTORC1-Steuerung
unterlägen, sei einleuchtend, dass Entzündungsprozesse
wie Arthrose oder Akne durch vermehrten Milchkonsum gefördert
würden. Beide Volkskrankheiten ließen sich durch
Milchkarenz und eine vegetarisch betonte Ernährung lindern,
zumal letztere natürliche pflanzliche mTORC1-Hemmer enthielte
wie Resveratrol, Grünteephenole, Kaffein, Curcumin, Indole
des Kohls, Genistein in Soja u.a.. Über die beeindruckenden
Erfahrungen der Milchkarenz bei Arthrose können sich Interessierte
bei der überregional aktiven Arthrose Selbsthilfe in Oelde
(email:
) weiter informieren. Da auch Übergewicht negative Auswirkungen
auf die Arthrose habe und die Fettbildung maßgeblich durch
mTORC1-Aktvierung gefördert würde, sei plausibel,
dass eine Verminderung mTORC1-aktivierender Signale durch reduzierten
Milch- und Milchproduktekonsum sich günstig auf den Krankheitsverlauf
der Arthrose auswirke. Melnik erwartet durch Verminderung des
Milch-, Milchprodukte- und Fleischkonsums wünschenswerte
präventive Effekte zur Eindämmung mTORC1-getriebener
Zivilisationskrankheiten wie Übergewicht, Diabetes, Krebs
und Alzheimer.
Abbildung: Milch aktiviert den Zentralschalter zellulären
Wachstums, das Enzym mTORC1. Aminosäuren der Molke, vor
allem Leucin und Glutamin, stimulieren die Bildung von Insulin.
Aminosäuren der Kaseine stimulieren in der Leber die Bildung
des Insulin-artigen Wachstumshormons (IGF-1). Insulin und IGF-1
zusammen mit den essentiellen Aminosäuren der Milch stimulieren
beim Milchempfänger mTORC1. Milch enthält virusartige
Vesikel, die MikroRNS wie MikroRNS-21 enthalten. MikroRNS-21
ist in der Lage, Bremsproteine des mTORC1-Signalwegs wie das
Enzym PTEN abzuschalten. Daher ist gut vorstellbar, dass die
MirkoRNS der Milch die physiologischen Bremsen des Zellzyklus
abschaltet, um Wachstum zu beschleunigen. Melnik betrachtet
die MikroRNS der Milch als ihre genetische Software und die
Aminosäuren als ihre Hardware zur Aktivierung mTORC1-vermittelter
Wachstumsprozesse. Dies ist ein sinnvoller Prozess für
die Stimulierung des Säugetierwachstums nach der Geburt,
jedoch höchst bedenklich im Dauergebrauch, da alle Zivilisationskrankheiten
als mTORC1-getriebene Erkrankungen betrachtet werden (Roberto
Zoncu et al. mTOR: from growth signal integration to cancer,
diabetes and ageing. Nature Reviews. Molecular Cell Biology,
2011; www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3390257/). |